Inhalt     73      Droste-Hülshoff

An Levin Schücking
Das Fegefeuer des westfälischen Adels

Der Greis
Der Hünenstein
Der Kaufmann
Der Knabe im Moor
Der Nachtwandler
Die Jagd
Die Mergelgrube
Die Taxuswand

Herrlich
Im Grase
Mondesaufgang
O Nacht
Unbeschreiblich
Verflucht
Verteufelt

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nicht enthalten in dieser Auswahl das "erste und vielleicht das beste feministische Gedicht in deutscher Sprache“ {Ruth Klüger].

Am Thurme

Ich steh’ auf hohem Balkone am Thurm,
Umstrichen vom schreienden Stare,
Und laß’ gleich einer Mänade  den Sturm
Mir wühlen im flatternden Haare;
O wilder Geselle, o toller Fant,
Ich möchte dich kräftig umschlingen,
Und, Sehne an Sehne, zwei Schritte vom Rand
Auf Tod und Leben dann ringen!

Und drunten seh’ ich am Strand, so frisch
Wie spielende Doggen, die Wellen
Sich tummeln rings mit Geklaff und Gezisch,
Und glänzende Flocken schnellen.
O, springen möcht’ ich hinein alsbald,
Recht in die tobende Meute,
Und jagen durch den korallenen Wald
Das Walroß, die lustige Beute!

Und drüben seh’ ich ein Wimpel wehn
So keck wie eine Standarte,
Seh auf und nieder den Kiel sich drehn
Von meiner luftigen Warte;
O, sitzen möcht’ ich im kämpfenden Schiff,
Das Steuerruder ergreifen,
Und zischend über das brandende Riff
Wie eine Seemöwe streifen.

Wär ich ein Jäger auf freier Flur,
Ein Stück nur von einem Soldaten,
Wär ich ein Mann doch mindestens nur,
So würde der Himmel mir raten;
Nun muß ich sitzen so fein und klar,
Gleich einem artigen Kinde,
Und darf nur heimlich lösen mein Haar,
Und lassen es flattern im Winde!

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